Versorgungsforschung im Gesundheitsamt – eine explorative Interviewstudie zur wissenschaftlichen Methodenkompetenz im ÖGD in Baden-Württemberg

Gesundheitswesen. 2024 Apr 17. doi: 10.1055/a-2308-7059. Online ahead of print.
[Article in German]

Abstract

Hintergrund und Ziel der Studie: Ein Ziel des Paktes für den ÖGD (Öffentlicher Gesundheitsdienst) ist die Steigerung der wissenschaftlichen Tätigkeit im ÖGD. Es ist aktuell jedoch unklar, welche wissenschaftlichen Methoden bekannt sind und welche Bedarfe und Bedürfnisse hinsichtlich wissenschaftlicher Kompetenzen bestehen. Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, welche Methoden zur Versorgungsforschung im ÖGD in Baden-Württemberg (BW) bekannt sind, angewandt werden und bei welchen Methoden Bedarfe bestehen.

Methodik: Es wurden leitfadengestützte Interviews (Fokusgruppen-/Einzelinterviews) mit 12 Personen unterschiedlicher Ebenen (Amtsleitungen, Abteilungsleitungen, Mitarbeitende) aus Gesundheitsämtern in BW geführt, die inhaltsanalytisch in Anlehnung an Kuckartz ausgewertet wurden. Ergebnisse: Die Interviewten nennen heterogene Bedarfe und Kompetenzen. Mitarbeitende äußern häufiger vorhandene Kompetenzen als Leitungspersonen. Kompetenzen, die im Berufsalltag angewandt werden sind z.B. Literaturrecherche oder verschiedene Datenauswertungsmethoden, die vor allem im Bereich der routinemäßig erfassten Daten (z.B. Einschulungsuntersuchung) eingesetzt werden. Bedarfe und Bedürfnisse bestehen vor allem im Bereich der Datenauswertung/-erhebung, werden aber auch im Bereich der Grundlagen geäußert. Vorgaben zur guten wissenschaftlichen Praxis (z.B. Ethikanträge) und zum Publikationsprozess sind eher weniger bekannt. Vielfach wird ein Bedarf nach einem Unterstützungsangebot durch Forschungseinrichtungen oder oberen Behörden genannt. Darüber hinaus werden Aussagen zur Motivation und Hemmnisse für Forschung im ÖGD gemacht. Schlussfolgerung: Diese Studie zeigt heterogene bestehende Methodenkompetenzen sowie Bedarfe und Bedürfnisse auf, die auf die unterschiedlichen Hintergründe und Tätigkeitsbereiche der Befragten zurückzuführen sind. Kompetenzen werden angegeben z.B. im Bereich der Literaturrecherche und der Auswertung vorhandener Daten. Bedarfe gibt es z.B. in Methoden der Datenerhebung/-auswertung sowie in der Grundlagenvermittlung und Vertiefung der vorhandenen Kompetenzen. Es besteht ein Bedarf an Unterstützungsangeboten hinsichtlich wissenschaftlicher Methodenkompetenz für Gesundheitsämter. Es fehlt zudem an Forschungsinfrastruktur (z.B. Software, Literaturzugriff) und gesetzlicher Grundlage für die wissenschaftliche Tätigkeit im ÖGD. Die Ergebnisse können als Grundlage für die Konzeption bedarfsgerechter Fortbildungen für ÖGD-Beschäftigte in BW dienen.

Background and aim of the study: One aim of the pact for the Public Health Service (“Pakt für den ÖGD”) is to increase scientific activity in the Public Health Service (PHS). However, it is currently unclear which scientific methods are known and which needs exist regarding scientific competences in local public health departments. This study deals with the question, which methods related to health services research are known and applied in the PHS and which methods are needed by PHS-employees in the federal state Baden-Württemberg in Germany.

Methods: Guideline-based interviews (focus group and individual interviews) were conducted with 12 persons from different hierarchy levels from public health departments in Baden-Württemberg. The interviews were analyzed by content analysis following Kuckartz.

Results: The interviewees indicate heterogeneous needs as well as existing methodological competences. Staff members express existing competences more frequently than leaders. Various existing competencies were expressed that are used in the everyday work such as literature research or different methods for data analysis. These are mainly used in the field of routinely collected data (e.g., school entry examination). Needs seem to exist primarily in the area of data analysis and collection, but are also expressed in the area of the basic scientific methods. Topics relating to guidelines for good scientific practice (e.g. ethics proposals) and publications are also rather less known. A need for a support from research institutions or higher authorities is frequently mentioned. In addition, statements were made about motivation and barriers for research in public health departments.

Conclusion: This study shows heterogeneous existing methodological competencies as well as needs, that can be attributed to the heterogeneous backgrounds and fields of activity of the interviewees. Competencies are indicated for example in literature research and analysis of existing data. There is a need in methods for example of data collection/analysis as well as in basic scientific methods and deepening of existing skills. Furthermore support offers regarding scientific methodological competence for public health departments are required. There is also a lack of research infrastructure (e.g. software, access to literature) and a legal basis. The results can serve as a basis for the design of demand-oriented methodological programs for employees from the PHS in Baden-Württemberg.